25. Juli 2010, Die Filme des Fellatio Cunnilingus, 10.49 Uhr (PP)

Whiskey, Zigarre.
Krank. Der Anflug einer hartnäckigen Erkältung. Kopfschmerzen. Gliederschmerzen.
Lag auf dem Sofa zum Arbeiten. Sah mir aus Studienzwecken drei Erotikfilme an. Reduziertes Kino. Filmemacher, die sich noch auf ihre Bilder verlassen, die an die Kraft des Films glauben. Eher Dialogarm. Viel Stöhnen. Ich würde hier von minimalistischem Kunstkino reden. Aber mit der Meinung bin ich wahrscheinlich allein.
Welch ein Irrtum.
Brachte die Filme am Nachmittag in die Videothek. Also rein, nach hinten, da ist die Tür, die in den Erotikbereich führt. Blickte mich gehetzt um. Das ist normal. Ist ein Ritual. Machen alle, die hinter dieser Tür verschwinden. Drinnen schwüle Wärme. Ich glaube, die heizen dort zusätzlich. Die Brühe lief mir am Rücken runter.
Also hin zur Theke.
„Wollte die Filme zurück bringen.“
Ein Kerl, unrasiert, Nickelbrille, nickte. Allerdings nickte er unaufhörlich. War wohl ein Tick.
„Wie fandest du sie?“, fragte er mich, nickte und grinste.
„Hm …“
Er sah sich die Titel an.
„Ach, du magst Märchenfilme“, sagte er.
„Tja …“, stammelte ich.
Keine Ahnung, was der von mir wollte. Und was heißt hier Märchenfilme?
„Die Witwe Nimmersatt“, sein Nicken wurde stärker. „Grandioser Film. Ein Meilenstein. Wim Düse.“
„Was?“
„So heißt der Typ, der ihn gedreht hat. Der Kerl ist ein verfluchtes Genie. Diese auf das wesentliche konzentrierten Montagen. Er arbeitet mit dem Jump Cut. War der Erste, der ihn einsetzte. Hat ihn aber nicht erfunden. Das ist eine Legende. Kommt aus der New-Porn-Bewegung. Herrlich.“
Scheiße, dachte ich. Ich war an einen Pornofilmkritiker geraten.
„Ich könnte dir ein paar Filme empfehlen.“
„Warum nicht.“
Das hätte ich nicht sagen sollen. Jetzt hatte ich ihn an der Backe kleben.
Er beugte sich vor. Flüsterte. Sah sich ängstlich um. Hier ging es scheinbar um Geheimnisse. Er winkte mich mit der Hand ran. Also fuhr ich meinen Kopf wie eine Schildkröte aus. Ich hielt die Luft an. Der Nicker stank fürchterlich nach Schweiß.
„Du musst dir unbedingt die Filme des Übervaters ansehen.“
„Übervater?“
„Der größte Regisseur aller Zeiten. Er soll über zwei Meter sein.“
„Aha!“
„Fellatio Cunnilingus.“
„Was?“
„Sein Name.“
Gott. Ich wollte weg. Nichts zu machen. Der Nicker kam meinem Ohr immer näher. Ich war mir sicher, Erbrochenes riechen zu können.
„Ich könnte dir seinen wichtigsten Film besorgen.“
„Ja?“
Der Nicker griff unter die Theke. Schob eine DVD-Hülle rüber. Er sah sich wieder ängstlich um.
„Sieh rein.“
Ich öffnete die Hülle. Las den Titel.
„Citizen Dick“, sagte ich.
„Ja“, der Nicker nickte noch stärker. „Der wichtigste Film überhaupt. Kaum Handlung, aber dafür …“
Ich verstand. Ich nickte. Der Nicker sah mich nickend und verärgert an.
„Warum nickst du?“, fragte er mit einer gewissen Spur von Aggression in der Stimme.
„Ich wollte nur …“
Der Nicker zog den Film zurück.
„Ist wohl besser, wenn du jetzt gehst.“
Ich nickte erstaunt.
Verflucht, hör mit dem Nicken auf, dachte ich.
„Und die Filme, die ich zurück geben wollte?“
„Morgen habe ich keinen Dienst, dann kannst du sie bringen“, zischte er.
Nervös wie ich war, nickte ich wieder. Der Nicker kniff die Augen zusammen.
Ich nahm die Filme, machte mich aus dem Staub. Zuhause legte ich mich erschöpft aufs Sofa. Ich schlief sofort ein. Träumte von dem Nicker. Er saß auf meinem Schoß und nickte die ganze Zeit. Sagte kein Wort. Ich wachte schweißgebadet auf.
Jetzt habe ich mir einen Whiskey eingeschenkt, eine Zigarre angezündet. Trinke meinen Whiskey. Rauche meine Zigarre.
Schrieb.
Und hier ist es.

Dieser Beitrag wurde unter Parallelpathologie abgelegt und mit , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.